Bedingtes Entstehen
“Bedingtes Entstehen” ist ein Begriff aus dem Buddhismus, der trocken klingen mag – es geht aber um ganz Wesentliches.
“Wenn dies ist, ist jenes; wenn dies entsteht, entsteht jenes. Wenn dies nicht ist, ist jenes nicht; wenn dies aufhört, hört jenes auf.“ So sagt es der Buddha. Beim „bedingten Entstehen“ sind Wirkungen von einer Vielzahl von Ursachen abhängig und die Kausalität ist häufig indirekt.
Für mich ist das überzeugend: Es gibt nicht die eine Ursache einer Wirkung, nicht den einen „Schuldigen“, weder nur ich selbst oder nur der andere, kein Gott als Ursache oder auch nicht pauschal einfach nur Naturgesetze, auch ist nicht nur das eigene Denken oder nur die eigene Wahrnehmung. Nein, so einfach ist es eben nicht. Sondern es ist kompliziert, irgendwie tragen eine Vielzahl von Faktoren zu einem wahrgenommenen Geschehen bei, alles hängt miteinander zusammen oder voneinander ab, bedingt sich gegenseitig, ist dabei aber eben auch nicht eins.
Komplexität
Diese Komplexität innerlich anzuerkennen oder zu akzeptieren ist keine kleine Sache. Abslolute Schuldzuweisungen werden dann ebenso unmöglich, wie allgemeingültige Glaubensgebilde oder Überzeugungen. Das kann schwer auszuhalten sein, oft sehnen wir uns nach einfachen Lösungen oder Erklärungen. Aber die gibt es nicht. So einfach ist es. 😉
Tatsächlich ist das in der medizinischen und therapeutischen Welt selbstverständlich: immer wirken eine Vielzahl von Faktoren bei der Entstehung einer Störung oder Krankheit zusammen. Und das ganze ist sehr komplex. In der spirituellen Welt haben viele von uns jedoch das Bedürfnis nach einfachen Lösungen oder Erklärungsmodellen: wir glauben an monokausales Karma oder die allgemeine Wirksamkeit einer bestimmten Form der Praxis. Oder daran, dass die Welt entweder nur in uns oder nur außerhalb von uns selbst existiert. Oder an eine Erleuchtung, die alle Probleme auf einmal beseitigt und einen zugleich allwissend macht. Oder an den einen Guru, der einen Weg oder die eine Schrift.
Anders ausgedrückt: die spirituelle Welt scheint für viele von uns ein Raum für regressive Wünsche zu sein. Natürlich haben wir bei emotionalen beziehungweise zwischenmenschlichen Dingen ebenfalls schnell das Bedürfnis nach einfachen Erklärungen. Anzuerkennen das es solche jedoch nicht gibt kann zunächst schwierig sein, ist mittelfristig aber meist erleichternd.
Einfachheit
Einfach nur hier und jetzt zu sein, gelassen und selig in uns selbst zu ruhen: natürlich ist das auch möglich, wichtig und unschätzbar bereichernd!
Ich erlebe beides aber nicht als Widerspruch, im Gegenteil: Die Anerkennung oder Auseinandersetzung mit der Komplexität in einer Phase (oder in einem Moment) unterstützt das Ausruhen in der Einfachheit in der nächsten. Auch Einfachheit und Komplexität bedingen einander.
Anders ausgedrückt: natürlich ist es wunderbar und erstrebenswert, zufrieden in einem Zustand des einfach-nur-Seins zu leben – nur müssen und sollten wir daraus kein Weltbild stricken. Stattdessen können wir ihn einfach genießen wenn er da ist und ihn gelassen wieder loslassen wenn er fort ist.