Bedingungslose Liebe
Ich bemerke gerade: es fällt mir ganz schwer, einen Text über die Liebe zu schreiben, weil es da zwei Seiten gibt, die sich nicht so leicht verknüpfen lassen.
Einerseits glaube ich an die Liebe: daran, dass sie uns zutiefst innewohnt und wir, wenn wir innerlich freier werden, immer mehr aus ihr heraus handeln und leben können.
Andererseits sehe ich aber viele ungute Nebenwirkungen, die das Ideal der bedingungslosen Liebe mit sich bringen kann. Ich fühle oft ein großes Unbehagen, wenn ein spiritueller Lehrer, Guru oder Prediger weise lächelnd oder salbungsvoll die Liebe preist und alles in mir spürt: das ist Fake, das ist Show!
Und auch da, wo das Ideal eine hilfreiche Orientierung bietet, kann es Schwieriges geben: Vielleicht setzen wir uns unter Druck, weil wir das Gefühl haben nicht ausreichend zu lieben. Oder wir wollen vor anderen liebevoll erscheinen, ohne es wirklich zu sein.
Oder wir unterdrücken unsere Wut und vermeiden Konflikte, statt für uns einzustehen. All das ist wenig hilfreich für unsere Entfaltung und wenig liebevoll uns selbst gegenüber.
Ich vermute, wir sind nicht so gestrickt, dass uns allumfassende Liebe mittelfristig möglich ist.
Weiser erscheint es mir deshalb, den Wunsch nach bedingungsloser Liebe loszulassen. Alles wird dadurch leichter. Alles, vor allem aber das Lieben.
Und wir können unsere Energie leichter darauf richten, uns einer der unten aufgelisteten Formen der Liebe zuzuwenden, in dem Wissen: Sie sind alle bedingt und möglicherweise nicht für längere Zeiträume aufrecht zu erhalten, sie vergehen, wie alles andere auch. Aber das macht sie nur noch wertvoller!
Metta
Wir können „Metta“, wie die liebende Güte (oder Herzenswärme) beim Buddha heißt, entwickeln. Stück für Stück können wir lernen, zunächst uns selbst mit Hilfe von Vergebung und radikaler Akzeptanz freundlicher zu begegnen. Darauf aufbauend können wir diese Liebe erweitern: anderen Menschen können wir diese Liebe senden und in der Vorstellung auch allen fühlenden Wesen auf der ganzen Welt, eingeschlossen unserer „Feinde“. Das kann eine wunderbare und bereichernde Erfahrung sein.
Ähnlich können wir unseren verschiedenen Anteilen oder unserem inneren System mit Liebe begegnen, eingeschlossen den Teilen, die wir als sehr schwierig empfinden.
In der Metta-Meditation hat jedoch Körperlichkeit keinen Platz. Und sie ist überpersönlich, ein Gegenüber könnte sie deshalb auch als unpersönlich erleben.
Hingabe
„Bhakti“, wie Hingabe im Hinduismus heißt, ist weniger abgeklärt. Persönlicher, verbindlicher und wilder, ist sie einem reflektierten Geist oft schwerer zugänglich und könnte gerade einem solchen besonders weiter bringen. Objekt der Hingabe kann der Guru sein, Gott, in einer seiner vielen Formen, ein heiliger Berg oder der Partner. Bei dieser liebenden Zuwendung spielt die intensive emotionale Beziehung die Hauptrolle, die die intellektuelle Suche nach erlösendem Wissen ablöst. Uns mit offenem Herzen berühren zu lassen ohne die Vernunft einzuschalten, ohne die Dinge zu analysieren oder reflektieren, kann eine sehr befreiende Praxis sein.
Eros
Eros, Liebe oder Begehren, wurde bei den alten Griechen als kosmische Gewalt gesehen. Die „platonische Liebe“ ist alles andere als asexuell, wie sie im heutigen Sprachgebrauch oft fälschlicherweise verwendet wird. Der Philosoph, der die erotische Begierde zunächst auf eine einzelne Person richtet, beginnt dann zu abstrahieren, und richtet sie auf immer allgemeinere und höherrangige Objekte. Getrieben wird er dabei von einem Gefühl des Mangels oder noch unvollständig Seins.
Wenn er zuletzt bei den rein geistigen Ideen angelangt ist, findet er die vollkommene Erfüllung seines Strebens.
Interessant dabei ist, dass Platons geschilderte Liebesverhältnisse meist homoerotischer Art waren und dabei nie ausgelebt wurden.
Partnerschaftlich
Liebe und Sexualität ohne Anhaftung ist Weg und Ziel von Tantra und von verschiedenen Modellen von freier Liebe oder Polyamorie. Meist ist eine vielschichtige Gemengelage aus Bedürfnissen und spirituellen Idealen mit im Spiel, und wichtige befreiende Erfahrungen sind in diesem Kontext sicher möglich. Ich möchte aber bezweifeln, dass sie in Liebe ohne Anhaftung resultieren, dafür sind wir Menschen emotional viel zu komplex.
Besser wäre es, wir erlauben uns wirkliche Intimität und Nähe, die auch mit Verbindlichkeit zu tun hat, und lassen zugleich das Ideal vom Ende der Anhaftung los. Wir können uns einer Liebe öffnen, die manchmal schwierig ist und verzwickt, die sich ständig ändert, die auch mal schwankt und sich dabei doch immer weiter vertieft: Partnerschaftliche Liebe eben.